Zwischen jugendlich sein und erwachsen werden – eine Krise

Die Phase ab Anfang bis Mitte der 20er ist eine Zeit des Umbruchs. Die Zweifel beginnen oft  nach Schul-, Ausbildungs- oder Studienabschluss. In dieser Zeit geht es oft darum, neue Wege einzuschlagen, mit Rückschlägen umzugehen und sich selbst lebensentscheidende Fragen zu stellen. Jede*r möchte seinen Platz im Leben finden. Das kann in einer Sinn- und Selbstfindungskrise enden – die “Quarterlife Crisis” (QLC). Die QLC ist keine Diagnose, sondern ein Zustand, der sich meist in den 20ern zeigt und den Übergang vom Jugendlichen- zum Erwachsenenleben prägt. 

QLC in der heutigen Welt

Eine Planbarkeit mit den derzeitigen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen und Klimakatastrophen bleibt für die Generation Z schwierig. Nicht zuletzt hatte auch die Corona-Krise einen massiven Einfluss auf existenzielle Ängste aller Menschen. Während dieser Zeit ins Berufsleben einzusteigen, war besonders schwer.

Simon Schnetzers und Klaus Hurrelmanns Trendstudie „Jugend in Deutschland“ aus dem Sommer 2022 ergab, dass die Überlagerung der Krisen von Klimawandel, Krieg und Corona maßgeblich für die Zukunftsängste von 14- bis 19-Jährigen verantwortlich waren. Die positive Grundstimmung der Jugendlichen drohe durch eine wachsende Verunsicherung zu kippen. Stress, Antriebslosigkeit, Erschöpfung und Langeweile seien die häufigsten psychischen Belastungen.
Die gleichnamige Studie aus dem Jahr 2023 verdeutlicht diese Faktoren ein weiteres Mal. Der „Dauerkrisenmodus“, welcher zusätzlich durch die Inflationskrise bekräftigt wurde, hinterlasse bleibende Schäden. Stress, Selbstzweifel und Antriebslosigkeit seien bei Jugendlichen viel stärker präsent als bei 50- bis 69-Jährigen.


Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ erscheint seit 2020 im halbjährlichen Takt und basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung der deutschsprachigen Bevölkerung im Alter von 14 bis 29 Jahren. 2023 wurden außerdem die Altersgruppen von 30- bis 49-Jährigen sowie 50- bis 69-Jährigen zum Vergleich hinzugezogen. Die Studie greift wichtige Themen der jungen Generation wie zum Beispiel Psyche, Finanzen, Krieg, Arbeit und Politik auf und soll Aufklärung für die Einstellungen und das Verhalten der Jugendlichen bieten.


Die QLC könnte demnach ein immer präsenteres Thema in unserer Gesellschaft werden.

QLC ist nicht zum Lachen

Max Osswald ist 30 Jahre alt und als Autor und Comedian tätig. In seiner persönlichen Sinnkrise hat er seine Gedanken und Gefühle in lyrischer Form niedergeschrieben. Daraus ist ein Buch entstanden: Quarterlife Crisis. Von der Orientierungslosigkeit junger Erwachsener. 2018 hat er es veröffentlicht. Zunächst seien die Reaktionen auf das Buch sehr bescheiden gewesen, berichtet er, doch in den nächsten Jahren bekam er nach und nach mehr Anfragen zu dem Thema. Max vermutet, dass das an dem wachsenden Bewusstsein für mentale Probleme liege.

In seiner Sinnkrise hat er sich damals lange mit einem Gedanken beschäftigt: „Ich habe mich nicht gefragt, ob das, was ich tue, sinnvoll ist, sondern eher in die Richtung: Hat das Leben überhaupt einen Sinn?“ Max hat sich damals keine professionelle Hilfe gesucht, obwohl es rückblickend hilfreich gewesen wäre. Hier wird deutlich: In Therapie zu gehen wird erst seit einigen Jahren langsam zur Normalität.

Doch warum wird die QLC immer noch so oft belächelt?
„Manche halten den Begriff für einen Witz, da vielen nur die Midlife Crisis bekannt ist“, sagt Max. Den Babyboomern, der Generation X und auch älteren Generationen falle es oft schwer, die Probleme von der Generation Z nachzuvollziehen. Sie hätten meist einen geregelten Werdegang hinter sich und sich nicht weit von ihrem Umfeld, in dem sie aufgewachsen sind, entfernt. Den Wandel von den damaligen geregelten Zukunftswegen zu heute hätten viele nicht richtig mitbekommen, findet Max. Es sei hilfreich, ihnen die Realität der jetzigen Welt, in der quasi alles möglich sei und ein Überangebot bei der Jobwahl herrsche, vor Augen zu halten. Heutzutage seien die Werdegänge einfach nicht mehr so geradlinig, wie bei früheren Generationen.

Orientierungslosigkeit als Chance nutzen

Max selbst beschreibt die QLC als eine Phase von Orientierungslosigkeit,  da man weniger Konstanten und Ankerpunkte im Leben habe.

Ist die Quarterlife-Crisis vielleicht deshalb schwieriger als die Midlife-Crisis?
„Nein, ich glaube die Quarterlife-Crisis ist eine Chance. Das ist wie so ein Warnschuss vielleicht. In der Midlife-Crisis ist es ja schon relativ spät im Leben. Ich habe lieber meine Orientierungskrise mit Mitte 20 als mit Mitte 40.“ Die QLC sei eine Phase des Jungseins, in der viele sich auch mal ausprobieren sollten, findet Max.

Er selbst hat schon verschiedenste Erfahrungen gesammelt: Vom FSJ im Kindergarten bis zu einem abgebrochenen Jurastudium, einem Bachelor in BWL und Drehbuchschreiben in der Film- und Fernsehbranche.

„Ich habe schon viele verschiedene Sachen gemacht und bin jetzt freiberuflicher Künstler.“

Weitermachen

Doch was hilft, um es aus dieser Krise heraus zu schaffen?
Da gibt es Max‘ Meinung nach nicht “den einen” hilfreichen Tipp. Mit Freund*innen zu reden tue jedoch immer gut. Professionelle Hilfe sollte aufgesucht werden, wenn die Krise Überhand über das eigene Leben gewinne.

Bezüglich seines Buches habe er schon viele Rückmeldungen von Personen erhalten, die sich in seinen Worten wiedergefunden haben. Die Gedanken aufs Blatt niederzubringen, in welcher Form auch immer, könne eine weitere Hilfe sein.

Das Papier ist ein guter Zuhörer. Das meckert auch nicht, das schimpft nicht, das rollt nicht herablassend mit den Augen. Es schadet nicht.”

Etwas, das Max seinem alten orientierungslosen Ich von seinem jetzigen Standpunkt aus raten würde, wäre: „Weitermachen. Irgendwann findest du schon deinen Weg. Das klingt jetzt vielleicht kitschig, aber nimm einfach erst mal einen Weg, der für dich gut aussieht und geh ihn. Und wenn sich herausstellt, dass es doch nicht der richtige ist, dann weißt du: Okay, ich muss was ändern. Und dann bist du auf jeden Fall schon mal weniger orientierungslos als vorher.”

Reden hilft

Unterstützungsangebote an Schulen, Hochschulen und Unternehmen müssten schnellstens ausgebaut werden, um tiefer sitzende psychische Krisen zu vermeiden, wie man auch aus der oben genannten Trendstudie entnehmen kann. Diplompsychologe Wilfried Schumann erklärt im Podcastformat Aha! Zehn Minuten Alltags-Wissen der Welt, dass die QLC gewissermaßen zum Leben dazugehöre. Es gibt viele Betroffene, der gemeinsame Austausch über Probleme sei daher immer hilfreich. 


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