Therapie statt Hokuspokus

Hypnose ist ein Wort, das in den Köpfen vieler direkt bestimmte Bilder und Klischees hervorruft. Showhypnotiseure werben mit unglaublichen Tricks, lassen Personen aus dem Publikum augenscheinlich ihre Namen vergessen und verrückt anmutende Dinge tun. Gleichzeitig etabliert sich in psychotherapeutischen Kreisen die Hypnose immer mehr als Therapieform und kämpft dabei um Glaubwürdigkeit. Was steckt dahinter? Wie sinnvoll ist eine Hypnotherapie und welche Vorurteile sollten aus dem Weg geräumt werden?

Der Name Hypnose leitet sich vom Wort Hypnos ab, dem Namen des griechischen Gott des Schlafes. Früher ging man davon aus, dass der Trance-Zustand der Hypnose schlafähnlich sei. Heute ist klar, dass  es sich genau gegenteilig verhält.

Dr. Susanne-Katrin Droste ist Neurowissenschaftlerin, Mentaltrainerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, sowie Ausbilderin und Dozentin für Hirnverständnis. Sie arbeitet in Frankfurt und hat Hypnose als Therapieform fest in ihre Arbeit integriert.  “Das Bedeutende bei der Hypnose ist, dass es eben kein Schlaf ist, sondern ein Zustand der erhöhten Aufmerksamkeit”, erklärt sie. “Diese Aufmerksamkeit ist allerdings nach innen gerichtet. Man ist also mit seiner Innenwelt beschäftigt und kann dort dann gezielt Veränderungen anregen.” Ihr ist es wichtig, dass Leute verstehen, dass sie während einer Hypnose nicht willenlos werden, wie durch das typische Hypnose-Klischee oft vermittelt. “Bei einer Hypnose weiß man immer, was man tut. Das ist ganz wichtig zu erwähnen, weil viele Leute Angst davor haben, dass sie dann wie ein Hühnchen über die Bühne laufen. Aber sowas ist eine reine Show.” Droste betont, dass es vielmehr um eine erhöhte Kontrolle über den eigenen Körper und eigene Emotionen gehe als um eine Fremdbestimmung durch den/ die Hypnotiseur*in. “Ich als Therapeut*in kann da nichts machen. Du als Patient*in hast wirklich die Kontrolle, man kann sich einlassen oder eben nicht. Das ist das Schöne.“

Der Anwendungsbereich von Hypnotherapie ist ziemlich weit gefasst. Viele empirische Studien haben die therapeutische Wirkung von Hypnotherapie belegt, was dazu führte, dass sie 2006 vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie zunächst als Methode für Abhängigkeitserkrankungen und psychosomatische Störungen wissenschaftlich anerkannt wurde. Heute wird Hypnotherapie beispielsweise dazu genutzt, Stresssymptome oder Angststörungen wie Phobien zu behandeln, Traumata aufzuarbeiten oder verdrängte Erinnerungen und Gefühle hervorzuholen. Auch im Sport kann Hypnose zur Leistungssteigerung eingesetzt werden und selbst chronisch kranke, vermeintlich “austherapierte” Menschen können durch Hypnose zu einem besseren Umgang mit ihren Leiden finden. 

Hypnose – so alt wie die Menschheit

Hypnose ist eine der ältesten Therapieformen der Menschheit. “Man kennt es schon von den Ägyptern oder den Griechen, aber richtig als Therapieform wurde es zum ersten Mal unter Franz Anton Mesmer etabliert”, erzählt Droste. Mesmer war ein deutscher Arzt, der zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert sogenannte “Magnetkuren” praktizierte, bei denen er seinen Patient*innen Magneten auflegte und durch Worte eine spezielle Atmosphäre schuf. Wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit seiner Praktiken gibt es nicht, jedoch können moderne psychologische Konzepte von Suggestion und Autosuggestion oder die Hypnose Mesmers persönliche Wirkung erklären. Der Begründer der modernen Hypnosetherapie sei jedoch Milton Erickson, erklärt Droste. Der amerikanische Arzt aus dem 20. Jahrhundert arbeitete sehr viel mit bestimmten Sprachmustern, deren Wirksamkeit heute auch wissenschaftlich belegt ist. 

Doch wie genau wirkt nun eine Hypnose? Susanne Droste erklärt dies anhand einer Metapher. “Stell dir vor, du stehst vor einem Club, in dem es einen Dresscode gibt, du trägst aber nur Turnschuhe. Welche Möglichkeiten hast du? Zum einen solltest du dich sympathisch verhalten, um Vertrauen zum Türsteher aufzubauen. Schaffst du es dann noch, ihn ein bisschen abzulenken, geht er im besten Fall zur Seite und lässt dich durch.” Genauso spiele sich das im Gehirn ab. Der Hypnotiseur baut Vertrauen auf, indem er durch kleine Handlungsanweisungen, sogenannte Suggestionen, eine bestimmte Atmosphäre schafft.  “Unser innerer Kritiker im Gehirn, unser Realismus, sitzt bei uns vorne im sogenannten präfrontalen Cortex. Wenn der Hypnotiseur einige dieser Suggestionen ausspricht, wie zum Beispiel: ‘Spür mal, wie deine Augen schwer werden’, dann tritt dieser innere Kritiker nach und nach zur Seite, die Aktivität wird heruntergefahren.” 

Es geschieht quasi eine Verschiebung der Aktivität im Gehirn von vorne nach hinten, die bewirkt, dass Suggestionen ungefilterter aufgenommen werden. Somit kann eine neue Realität der Innenwelt geschaffen werden, die funktional ins Gehirn eingebaut wird, wenn sie zu den eigenen Werten und Glaubensvorstellungen passt. „Mit Hilfe der Hypnose basteln wir neue neuronale Netze”, fasst es Susanne Droste zusammen. “Es ist nur wichtig, dass die Person das auch wirklich möchte.”

Sie erklärt, dass in der Theorie jeder Mensch hypnotisierbar sei. Bei bestimmten  Krankheitsbildern, wie beispielsweise Persönlichkeitsstörungen, starken Depressionen oder solchen, die hormonell bedingt sind, sei eine Hypnose jedoch nicht förderlich. Auch Epilepsie oder Herzkreislaufprobleme seien keine passenden Anwendungsbereiche für eine Hypnotherapie.

„Hypnotisierbarkeit hat nichts mit Leichtgläubigkeit zu tun, im Grunde ist jede*r in der Lage, alternative Realitäten zuzulassen. Man sagt, 20 bis 30 Prozent der Leute sind hoch suggestibel, was bedeutet, dass sie sofort umsetzen, was ihnen gesagt wird. Bei den anderen ist es ein bisschen schwieriger, das sind oft Leute, die gerne die Kontrolle behalten möchten.” Wie gut der eigene Zugang zum Trance-Zustand ist, hänge auch damit zusammen, wie gut die Vernetzung über das Corpus Callosum sei, den sogenannten “Balken” im Gehirn, der die linke und rechte Hirnhälfte verbindet. “Man hat herausgefunden, je mehr Verkehr über diese Verbindung zwischen den beiden Hälften stattfindet, umso besser gehen Leute auch in eine Trance.“

Real oder nicht, dem Gehirn ist das gleich

Dass Hypnose und die dabei entstehenden inneren Bilder so gut funktionieren, liegt daran, dass das Gehirn nicht unterscheidet, ob etwas real bei einem selbst erlebt wird, es bei anderen beobachtet oder nur innerlich vorgestellt wird. Dieser Effekt wird im Alltag zum Beispiel auch im Kino genutzt. Dort fiebert man nicht nur im Kopf, sondern oft auch körperlich mit. Einen erhöhten Herzschlag bei Actionszenen haben viele schon erlebt, auch wenn die dargestellte Situation in keinster Weise realistisch ist. In diesem Kontext weist Susanne Droste auf das Phänomen hin, dass sich viele Menschen in negativen Gedankenspiralen verlieren, wenn es beispielsweise um ein gefürchtetes Ereignis geht, auf das man sich innerlich vorbereiten möchte.

“Da erkennt man auch das Problem von Depressionen und Ängsten, denn da geht es oft um dieses Katastrophendenken. Man möchte sich eine Sicherheit erschaffen, eine vermeintliche Kontrolle. Nur leider bekomme ich nur noch mehr Angst, wenn ich mir die Horrorszenarien vorstelle, da der Körper auf das innere Bild reagiert.“ In solchen Momenten handle es sich tatsächlich um eine negative Selbsthypnose, man trainiere das eigene Denken auf die zu befürchtende Situation. “Es empfiehlt sich, positiver auf Situationen zu blicken, dann fällt es dem Gehirn auch leichter, diese Richtung einzuschlagen. Auch was der/die Hypnosetherapeut*in macht, ist eine lösungsorientierte Hypnose.”

Wie gut diese dann in der Umsetzung funktionieren kann, erlebe Droste im Arbeitsalltag immer wieder. So habe sie schon viele positive Erfahrungen mit Rauchentwöhnungen, Gewichtsabnahme, Schmerzpatient*innen oder auch mentalen Blockaden beim Thema Kinderwunsch gemacht. 

“Bei der Hypnose arbeitest du nicht nur auf kognitiver Ebene, wie bei einer Gesprächs- oder Verhaltenstherapie, sondern auf der Gefühlsebene mit diesen veränderten Bewusstseinszuständen. Das ermöglicht, dass man sehr schnell Veränderungen herbeiführen kann. Zum einen auf der psychischen Ebene und vor allem auf der körperlichen Ebene. Gerade das Abschalten von Schmerz ist unglaublich. Ich hab mir mal aus Interesse einen Zahn ohne Narkose ziehen lassen. Den habe ich alleine nur mit Hypnose betäubt. Das war ein echt phänomenales Erlebnis, da ich keinerlei Schmerzen empfunden habe.” 

Das Schmerzabschalten über Hypnose funktioniert ähnlich wie das Umgehen des “inneren Kritikers” im präfrontalen Cortex. Auch der Sensomotorische Cortex, die “Schaltzentrale” im Gehirn für alles, was aus der körpernahen Umgebung kommt, kann durch Suggestionen und das Ansprechen bestimmter Körperregionen heruntergefahren werden.“Irgendwann passiert der Effekt, dass das echte Schmerzsignal zwar ankommt, aber nicht ins Bewusstsein weitergeleitet wird”, erklärt Droste.

Gegen Vorurteile und Klischees

Es handelt sich bei Hypnose also um hirnphysiologische Vorgänge und keineswegs um übermenschliche Zauberei oder vorgetäuschte Tricks. Vorurteilen und Ängsten gegenüber Hypnose stellt sich Susanne Droste entschieden entgegen. Stimmt es etwa, dass man in der Trance stecken bleiben kann? “Das geht gar nicht. Das ist ein ganz normaler Zustand, in den du tagtäglich zum Beispiel beim Tagträumen hinein gehst. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass du einschläfst und dann wachst du wieder ganz normal auf.”

Auch sei es nicht so, dass der/die Hypnotiseur*in einen dazu bringen könne, alles zu vergessen: “Gerade bei Hypnoseshows wird natürlich mit diesen Ängsten gespielt. Während einer Hypnose bist du aber nicht macht- oder willenlos. Es gibt so Sachen, dass du, wenn du am Ende einer Hypnose bist, gesagt bekommst ‘Wenn du aufwachst, dann hast du alles vergessen, was wir gemacht haben’. Das ist aber nur wieder eine Handlungsanweisung. Eine Suggestion, die du annehmen kannst oder eben nicht.” 

Für Susanne Droste sind die Vorteile von Hypnotherapie klar:

  • “Hypnose ist hirngerecht und körpergerecht. Wir arbeiten wirklich mit neurobiologischen Prozessen während der/ die Klient*in dabei ist und alles mitbekommt.” 
  • “Der/ die Klient*in ist nicht hilflos ausgeliefert, sondern er lernt eine Selbstwirksamkeit gerade auch bei Ängsten und Schmerzen.” 
  • “Veränderungen passieren auf eine natürliche Art und Weise und das sogar relativ schnell.” 
  • “Du arbeitest lösungsorientiert direkt mit dem Gefühl und nicht nur über die intellektuelle, kognitive Ebene.”

Für die Zukunft wünscht sich die Therapeutin einen Klischee befreiteren Umgang mit dem Thema Hypnotherapie. “Natürlich ist es auch keine Wundertechnik, aber man kann wirklich viel damit machen. Ich würde mir wünschen, dass da ein Umdenken stattfindet, gerade bei der Ärzteschaft und bei den Krankenkassen.”


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